Undurchsichtige Geschäfte
Mangelnde Transparenz stellt Kaufwillige vor viele Fragen
Vor Weihnachten häufen sich die Spendenaufrufe und Spendenaktionen merklich. Wer spendet, tut dies aus Überzeugung und von ganzem Herzen gerne. Oftmals fragen wir uns, ob die Spenden auch wirklich bei den Bedürftigen ankommen. Im Falle eines wie eine Spendenbitte anmutendeden Kaufangebotes der MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH, die ich in meinem Briefkasten vorfand, kommen mir arge Zweifel. Sie weckte meine journalistische Neugier, weil hier durch gefühlsbetonte Werbung Mitleid erweckt wird. Und siehe da, meine Recherchen bestätigen den Verdacht unseriöser Machenschaften.
Weihnachtskarten, ein Taschenkalender und Geschenkanhänger, versehen mit einem Anschreiben einer Mund- und Fußmalerin wollen das Spenderherz erobern. Die Künstlerin hat den Text mit ihrem Fuß geschrieben, steht erklärend neben den krakeligen Zeilen, dazu eine Anmerkung zu ihrem Schicksal. Mir schickt jemand Geschenke, und dann will ich nichts dafür bezahlen, wird sich so mancher Empfänger der Spendenpost fragen.
Ich aber frage mich, wer hier mit den Gefühlen der Menschen spielt. Mein erster Anruf gilt der Verbraucherberatung Cham (richtigerweise: Verbraucherservice Bayern in KDFB e. V), wo ich schon oft kompetenten Rat bekommen habe. Angela Ederer entschlüpft sofort ein „Aha“. Sie macht mich auf ein Spendensiegel aufmerksam, welches das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen/DZI vergibt.
Das DZI (www.dzi.de) ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts und wird getragen vom Berliner Senat, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, dem Deutschen Städtetag und von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. Es dokumentiert in seinem nachfrageorientiert geführten Wohlfahrtsarchiv Spenden.
In der DZI-Datenbank finden Interessierte
ausführliche Porträts mit Einschätzungen über die rund 230 Organisationen, die das DZI Spenden-Siegel tragen sowie über regelmäßig nachgefragte Organisationen ohne Siegel.
Ein Blick auf die zahlreichen Hinweise für SpenderInnen lohnt sich: Gleich der erste DZI-Spenden-Tipp besagt:“Spenden vertragen keinen Druck.“ Genau! Und noch sehr viele andere Tipps finden sich auf der Website, u. a. zu
- Auslandseinsätzen
- Briefwerbung
- Ehrenamt
- Gemeinnützigkeit und Steuerbegünstigung
- Haustür- und Straßenwerbung (“Drücker”)
- Internet, Spenden im Internet
- Katastrophenhilfe
- Patenschaften
- Sachspenden
- Sammlungsgesetze
- Verkauf von Blinden- und Behindertenwaren
- Zweckgebundene Spenden
Eine Liste mit den „schwarzen Schafen“ findet man unter „Die DZI Spenderberatung warnt„. Eine Liste mit den Organisationen, die das Spendensiegel zuerkannt bekommen haben, kann man sich auf der Internetseite ansehen. Allerdings hat, wie bereits oben erwähnt, nicht jede gemeinnützige Einrichtung ein solches Siegel, arbeitet aber trotzdem seriös. Vermutlich kokettiert die o. g. Firma mit dem Anschein, sie sei gemeinnützig. Aber wie gesagt, es ist eine Vermutung.
Wer Rat benötigt, kann sich per Post, Telefon oder E-Mail mit einer konkreten Anfrage an das DZI wenden.
Eine Auskunft über o. g. MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH konnte ich jedoch nicht bekommen. Hier handele es sich um keine gemeinnützige Organisation, sondern um eine gewerblich tätige Firma, sagt Geschäftsführer Burkhard Wilke.
ABER: Das Internetportal www.heise.de ist meinen Recherchen Jahre voraus. 2004 deckte der Redakteur Helmut Lorscheid auf, wohin die Spenden-Millionen fließen: „In der Kartensendung findet sich kein Hinweis auf die Hintermänner im Steuerparadies Liechtenstein. Erst aus der Stuttgarter Handelsregisterakte des MfK-Verlags (HRB 18764) ergibt sich: der Verlag gehört der „Vereinigung der mund – und fussmalenden Künstler eingetragener Verein mit dem Sitz in Vaduz/Liechtenstein“, kurz: VDMFK.“ (Quelle: www.heise.de)
Bei der Betrachtung der Problematik muss man unbedingt sachlich bleiben, denn die Tatsachen, nicht die angeheizten Gefühle, lassen eine distanzierte Einschätzung zu.
Hallo, Ich fand gestern im Briefkasten einen Brief vollgestopft mit „mund-und fussgemalten Weihnachtskarten“ und selbstverständlich einen Überwesungsvordruck gleich dazu. Woher haben die meine vollständuge Adresse? Ich tauche in keinem Telefonbuch noch sonst eo privat auf! Solch ein Vorgehen empfinde ich als Nötigung und Belästigung. Ich Spende gerne, aber das hier ist ein No Go!!! Danke, dass ich auf dieser Seite über deren Machenschaften aufgeklärt würde.
Viele liebe Grüße
Daniela
Vielen Dank, ich freue mich, wenn ich etwas Licht ins Dunkel bringen konnte. Es ist ein Kaufangebot, das wie eine Spende aussieht. Das macht die Sache schlimmer, weil viele Leute wirklich eine Spende vermuten und von ihrem Wenigen etwas abgeben wollen. Wie jemand zu Adressen kommt, ist eine ganz andere Sache. Daten sind nicht umsonst das neue Gold. Alles, was man irgendwie über das Internet rausschickt, bspw. auch über Messenger, ist auch abfangbar. Also schon von daher geht es schnell. Automatisiert werden dann 1+1 zusammengezählt und Profile erstellt. Man muss es den Cyberkriminellen zusätzlich nicht noch leicht machen. Nur mal so in aller Kürze. Herzlicher Gruß Ramona Hapke
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die aufklärenden Hinweise aus Ihren Recherchen!
Nur frage ich mich, wo haben diese Geschäftsleute meine Postanschrift her?
Mit freundlichen Grüßen
und weiterhin viel Erfolg bei Ihren journalistischen Nachforschungen.
Roland
Guten Tag!
Es ist sehr undurchsichtig, wie Cyberkriminelle zu Adressdaten gelangen, für Laien kaum nachvollziehbar. Vielleicht hilft es Ihnen, sich das mal anzusehen: https://www.gamersglobal.de/news/90686/games-anwalt-spam-werbebriefe-und-adresshandel. Suchen Sie mit einer Suchmaschine nach Adresshandel, um mögliche Wege für sich selbst herauszufinden.
Zu den Adressen: grundsätzlich ist es richtig, dass *alle* unsere Aktivitäten im Internet in den „großen Datenpool“ fließen und mannigfaltig verknüpft werden.
Im Falle der MFK ist aber zu bedenken, dass das masschenhafte Verschicken von Warensendungen ein gewisser finanzieller Aufwand ist, den man nicht „per Schrotschuss“ verteilt. Vielmehr geht solche Post z.B. an Leute, die bereits anderswo gespendet haben – und sich somit als freigiebig zu erkennen gegeben haben.
Der Verdacht liegt für mich (aus eigener Erfahrung) nahe, dass manche ansonsten durchaus seriöse Spendensammler und gemeinnützige Organisationen solche Adressen weiterverkaufen.
Das ist für mich eine recht dubiose Geschichte, und durchaus auch einer journalistischen Recherche wert.
In meinen Augen kann dieser Schuss nach hinten losgehen: wenn man solche Erfahrungen macht, spendet man halt gar nicht mehr.
Gruß
Gerhard
Mit Ihrer vermutung liegen Sie sicherlich ein Stück weit richtig, ohne dass man das an dieser Stelle beweisen kann. Öffentlich-rechtliche Medien haben zu relevanten Themen bereits recherchiert. Man muss kritische Sendungen verfolgen, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Hallo!
Sehr nützlicher Beitrag!
Wurde auch mit der Zusendung von der genannten Verlags GmbH beglückt und hatte auch kurz den Gedanken, mit dem Betrag von 10,95 € die Künstler zu unterstützen.
Habe dann aber doch erstmal google gefragt und bin u.a. auf die Information hier gestoßen.
Ich überlege, ob ich dem Herrn Herbert Batliner (VDMFK-Gründer) eine „seiner“ Grußkarten zum seinem 92. Geburtstag am 26. Dezember zuschicke 😉
s.a. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geschaeft-mitleid-1.4243331-2
Vielen Dank für die Recherche!
Gruß
Max
Vielen Dank fürs Recherchieren.
Habe auch
Gerne, Max. Journalisten sollten das ja auch tun: Themen von öffentlichem Interesse finden. In Zeiten von Fake News besonders relevant. Jedes Jahr wieder steigen im Herbst die Klickzahlen für diesen Artikel, das sagt alles.
Danke für deinen wertvollen Link!
Ramona