IHKs reagieren auf Betrugsmasche

Schreiben der sog. Gewerbeauskunft-Zentrale

Brief Nr. 4 der Gewerbeauskunft-Zentrale nahm ich zum Anlass, einmal bei IHKs anzufragen, wie sie ihre Mitglieder im “Kampf” gegen Betrugsversuche unterstützen. Telefonische und schriftliche Rückmeldungen verdeutlichen, dass sich die Industrie- und Handelskammern vor Ort um das Thema kümmern. Herzlichen Dank für die Stellungnahmen im Namen meiner Leserinnen und Leser!

Vornweg noch ein wichtiger Hinweis für gewerblich Tätige, der allen IHKs am Herzen liegt: Wenden Sie sich an Ihre Kammer!
Privatpersonen können sich u. a. mit Verbraucherzentralen in Verbindung setzen.

Wir, die juristischen Laien, fragen uns natürlich, wieso Adressbuchschwindel überhaupt noch möglich ist, wieso nicht längst das juristische Vorhängeschloss so etwas verhindert, wieso all die nachfolgend geschilderten Bemühungen nicht durchgreifend fruchten. In Gesprächen mit Selma Burnukara, Rechtsanwältin bei der IHK Konstanz, und Heiko Lenz, zuständiger Rechtsreferent Wirtschaftsrecht bei der IHK für die Pfalz, wurde mir allerdings klar, dass es sich bei der Problematik nicht nur um strafrechtliche, sondern komplexe Zusammenhänge handelt. Ass. jur. Nadja Carolin Kümmel bringt es auf den Punkt:

Ein Millionengeschäft.


Die wettbewerbsrechtliche Betrachtung geht von einer irreführenden Aufmachung des Formulars aus. Vertragsrechtlich spricht man von Abzocke, wenn Verträge nicht eingehalten werden. In Sachen GWE gebe es bereits etliche Urteile dazu. Die strafrechtliche Seite der Machenschaften seien nur schwer angreifbar, so Heiko Lanz. Er vermutet, dass der Bundesgerichtshof demnächst einen strafrechtlichen Rahmen setzen wird. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt …

IHK für die Pfalz
Auf dem Schreibtisch des Juristen Heiko Lenz stapeln sich mehr als 200 Fälle zur Gewerbeauskunft-Zentrale. Er empfiehlt, eine Anfechtung wegen arglistischer Täuschung zu erklären. Vorlagen dafür bzw. Muster gibt es bei der Polizei, der IHK Regensburg und der IHK München ().

Heiko Lenz, aber auch Ass. jur. Nadja Carolin Kümmel (IHK Neuss) beobachten seit 2010 einen immensen Zuwachs an betrügerischen Aktivitäten. Diese seien den höchsten politischen Ebenen bekannt. Die IHK für die Pfalz stehe in engem Kontakt mit Kommunen und dem DIHK, verschickt Warnmeldungen und war bereits im Fersehen aktiv. Leider ist der Beitrag des SWR im Internet nicht mehr abrufbar.

IHK Regensburg
Sie erhält wöchentlich Beschwerden ihrer Mitglieder über die GWE und leitet diese an den DSW im Rahmen des Verfahrens gegen die GWE weiter. Sie rät, Strafanzeige zu erstatten, keinesfalls zu bezahlen, die Willenserklärung anzufechten und vorsorglich zu kündigen und auf kein weiteres Schreiben der GWE, des Inkassobüros oder Rechtsanwalts mehr zu reagieren.

In unserem IHK-Bezirk gibt es nach unserem Wissen noch keinen Fall, in dem die GWE ihre Forderung gerichtlich eingeklagt hat.

Ich persönlich vermute aufgrund von Gesprächen, dass sich noch längst nicht alle Betroffnen an die IHK oder eine andere Kammer gewandt haben. Die IHK bietet Unternehmen ausdrücklich an, sich an die Kammer zu wenden. Die Rechtsanwältin Susanne Kroiß bei der IHK Regensburg rät:

Wichtig ist, dass man sich von der Drohkulisse, die in Mahnschreiben u. ä. aufgebaut wird, nicht beeindrucken lässt. Hier gilt: Ruhe bewahren und auf keinen Fall zahlen!

Die Urteile hätten leider keine Auswirkungen auf die Frage, ob die Verträge mit der GWE wirksam sind bzw. ob sich die Drahtzieher damit strafbar machen, bemängelt die IHK.

Die GWE lässt sich aber von wettbewerbsrechtlichen Urteilen und Abmahnungen offenbar nicht beeindrucken.

Zusammen mit dem Dachverband, dem DIHK, und vielen anderen IHKs hat die IHK Regensburg bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet und gegen den Rechtsanwalt der GWE Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer eingelegt. Außerdem hat sie versucht, mittels einer Beschwerde gegen die Inkassoerlaubnis der DDI (Inkassobüro der GWE) vorzugehen.

IHK Kiel
Auch die Industrie- und Handelskammer zu Kiel bemüht sich seit Langem, dem Adressbuchschwindel Einhalt zu gebieten.

Uns liegen unzählige Schreiben von ca. 50 verschiedenen sogenannten Adressbuchverlagen vor,

erläutert Rechtsreferentin Tina Möller.

Ratschläge wie die anderer IHKs erteilt auch die IHK Kiel und bietet umfangreiche Hilfe an, u. a. im Internet unter Vorsicht Falle! Adressbuchschwindel.

Durch unsere Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität und dem DIHK liegen uns auch Informationen dazu vor, ob ein Registerverlag schon gerichtsbekannt ist.

IHK Neuss
Ass. jur. Carolin Kümmel verweist auf eine aktuelle Pressemeldung, in der die IHK medienwirksam vor unseriösen Adressbuchverlagen warnt. Darin heißt es:

Trotz wiederholter Warnungen des Deutschen Industrie- und
Handelskammertags und des Deutschen Schutzverbands gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) entwickeln unseriöse Verlage immer wieder neue Varianten der Masche, auf die regelmäßig unwissende Unternehmer hereinfallen.

In den letzten Wochen hat die IHK Neuss mehrfach in den lokalen Medien auf Adressbuchschwindel hingewiesen.
Nadja Carolin Kümmel beobachtet gerade in den Ferienmonaten einen deutlichen Anstieg an dubiosen Schreiben. Sie vermutet, dass in Zeiten, wo der Chef nicht erreichbar ist, solche Briefe als Durchlaufposten schnell erledigt, sprich Rechnungen der GWE bezahlt werden.

Auch keine Seltenheit seien vermeintliche Markenverlängerungsanträge oder Rechnungen für die Inanspruchnahme nie genutzter Dienstleistungen.

Kümmel rät erst anzufechten und danach auszusitzen, wie es ihre juristischen Kollegen bereits ähnlich formuliert haben.

IHK Erfurt
Die IHK setzt auf Aufklärung durch Presseinformationen in regionalen Medien und die Information ihrer Mitglieder per Newsletter.

IHK Koblenz (IHK Hochrhein-Bodensee)
Sie ist die Frau für alle „GWE-Fälle“: Selma Burnukara. Beratungsangebote der IHK Koblenz füllen mittlerweile Aktenschränke. Nicht nur Gewerbetreibende, auch Schulen, Feuerwehren und andere öffentliche Einrichtungen wandten sich in ihrer Not an die Rechtsanwältin, obwohl die IHK nicht zuständig ist. Die Hilfsangebote im Internet jedoch sind für alle User von Nutzen. Darin findet sich u. a. ein wichtiger Hinweis zu Anwälten, die im Auftrag der GWE Vergleichsangebote verschicken:

Eine weitere Neuerung ist seit Ende Juni zu beobachten. Seither wird Rechtsanwalt Kay Hofheinz für GWE tätig. Er bietet den betroffenen Unternehmen einen Vergleich an, wonach diese mit der Zahlung von 450 € von allen Verbindlichkeiten frei wären. Auch in diesen Fällen empfiehlt die IHK Hochrhein-Bodensee auf den Vergleich nicht einzugehen.

Im Zusammnhang mit diesen Vergleichsangeboten waren bereits andere Namen/Anwälte auffällig. Burnukara liegen keine aktuellen Briefe vor, so dass es möglich erschient, dass Rechtsanwalt Kay Hofheinz seine Arbeit für die GWE nicht fortsetzt.

Kommunen
Auch kommunale Einrichtungen, wie Kindergärten und Schulen, werden von der GWE „heimgesucht“. Eine Zusammenarbeit mit Kommunen, wie es die IHK für die Pfalz praktiziert, ist bei den Gemeinden im Kammerbezirk Regensburg nicht bekannt. Die Gemeinde Stamsried beispielsweise setzt auf ihre eigenen Ressourcen. Bürgermeister Herbert Bauer schlug dem Gewerbestammtisch vor, das Thema Adressbuchschwindel auf seine Agenda zu setzen.

Die Stadt Roding verweist Hilfesuchende an Stellen, die Rechtsberatung durchführen dürfen. Die Stadtverwaltung selbst darf sich hier nicht einmischen, kann allenfalls zu bedenken geben, anwaltlichen Rat einzuholen.

Besser spät als gar nicht
Leider hatte die Regionalpresse im Landkreis Cham 2010 kein Interesse an dem Thema, da es sich hier nicht um reinen Regionalbezug handelte. Auch die IHKs hatten im Juni 2010 kein Interesse an dem von mir angebotenten Beitrag zur GWE. Vielleicht war damals noch nicht absehbar, dass der Adessbuchschwindel solche Ausmaße annimmt. Das Internet bietet den schnelleren Weg.

Adressbuchschwindel ist kein neues Phänomen und wird uns wohl auch in Zukunft beschäftigen, sind sich RAin Burnukara und andere Anwälte sicher. Ass. jur. Nadja Carolin Kümmel beobachtet, dass immer mehr Verlage ins Ausland abwandern und so noch schwerer greifbar sind.

Rechtsberatung kann und darf nur ein Jurist leisten. Aber zwei Ratschläge darf ich Ihnen an dieser Stelle geben:

Wachsam bleiben! Verfolgen Sie die Publikationen Ihrer IHK!
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