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Gewerbeauskunft-Zentrale verdient mit Adressbuch-Einträgen

Gewerbeauskunft Betrugsmasche

+++ Kommentar +++
Immer wieder erhalten Gewerbetreibende Post von der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH in Düsseldorf. Geschäftsführer Sebastian Cyperski verantwortet die Schreiben mit behördlichem Charakter, auf die schon mehrere Firmen hereingefallen sind und sich nun auf etlichen Portalen im Internet wortlaut ärgern und gegenüber der Redaktion Hapke Media von Abzocke sprechen.

Da mich erneut selbst so ein Brief der sog. Gewerbeauskunft (erreichbar unter www.gewerbeauskunft-zentrale.de) belästigte, möchte ich begründen, warum das Schriftstück zuerst auf das Fax in Richtung IHK und danach in meinen Papierkorb wanderte.

„Wir haben die Lösung!“

So bewirbt die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH ihren Eintragungsdienst in ein Online-Verzeichnis, von denen es Tausende andere gibt, die auch nach dem Prinzip „Finden – und gefunden werden“ arbeiten. Nur: Die GWE verlangt für einen Eintrag monatlich 39,85 Euro zuzügl. USt. bei jährlicher Abrechnung und zweijähriger Vertragslaufzeit; so steht’s im wahrlich Kleingedruckten auf der Rückseite (AGB). Das macht erkleckerliche 956,40 Euro netto auf dem Konto der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH pro Inserent.

Zum Vergleich: Für eine Webpräsentation mit einem recht großen Datenvolumen werden geschätzte 100-300 Euro netto im Jahr inkl. Domain fällig. Für Einträge in einer Datenbank müsste ich ein paar Minuten Tipparbeit pro Firma und einmalig Zeit für Web-Texte investieren sowie einen Anwalt für die Vertragsgestaltung bezahlen. Die Installation und Konfiguration der Website hat natürlich auch etwas gekostet. Der informative Content der WirtschaftsWoche wird als kostenloser Newsfeed eingelesen.
Bei der Anzahl der derzeitigen GWE-Inserenten bliebe immernoch ziemlich viel übrig, um als erfolgreiches Geschäftsmodell durchzugehen.

Tricky, ausgebufft, unverschämt, seriös?

Anlass für weitere Nachforschungen war für mich die „Verpackung“ des Angebots, die nicht unbedingt Vertrauen weckt. Die Aufmachung des Schreibens lässt einen behördlichen Brief vermuten: Papier und Darstellung der Inhalte sind einem Behördenbrief sehr ähnlich. Und auch die fette Erinnerungszeile ganz oben im Brief winkt mit dem behördlichen Zeigefinger nach dem Motto: Sie haben da etwas Wichtiges übersehen!:

„Schreiben ist Ihnen schon am […] per Post zugesandt worden!“

Ganz klein gedruckt hingegen erscheint der Hinweis, dass es sich um ein behörden- und kammerunabhängiges Angebot handelt. Also kein Wolf im Schafspelz!?

Beim Lesen des Angebots habe ich stets das Gefühl, ich müsse handeln. Wörter, wie „ergänzen, korrigieren“ fordern auf, eine Handlung abzuschließen. „Muss“ verleiht Nachdruck, natürlich jeweils fett und unterstrichen. Und damit der geneigte Inserent ja keinen Fehler macht, wird das Wichtigste unten eingerahmt hervorgehoben: nochmals auf Richtigkeit kontrollieren, mit der Unterschrift bestätigen – das kennen wir von behördlichen Anträgen. Die gebührenfreie Rücksendung per Fax wirkt wie eine Erlösung: Es ist ganz einfach und kostet nichts.

Wäre da nicht die Aufforderung: „… bis spätestens 01. Juli 2010 zurück“. Interessant – diese Datums-Spielerei: Datum des Schreibens ist der 23.6.2010, Posteingang bei mir war am 29.06., spätestens zurücksenden bis 1. 7., na wenn das nicht pressiert!

Auf der Internetseite des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität (https://www.dsw-schutzverband.de/) ist neben vielen anderen Informationsangeboten der Adressbuchschwindel ein großes Thema. Für die Geschäftspraktiken der GWE fand ich zahlreiche Parallelen. Kein Wunder also, dass sich die Industrie- und Handelskammern ihrer Mitglieder annehmen und Schreiben der GWE einsammeln, um sie an den DSW weiterzugeben.

Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist …

Ob alle Einträge auf der Webseite der „Gewerbeauskunft-Zentrale“ gewollt sind, habe ich nicht hinterfragt, allerdings für Recherchezwecke einige Inserenten angerufen.

Eine Unternehmerin aus dem Großraum Regensburg schilderte, warum sie das Kleingedruckte übersehen hatte. Sie fühlte sich vom behördlichen Aussehen des Schreibens der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH getäuscht und war von einem Jahresbeitrag ausgegangen. Obwohl sie fristgericht widerrief, wurde ihr Widerspruch nicht anerkannt, da er per E-Mail statt per eingeschriebenem Brief erfolgte, wie in den AGB der GWE gefordert. Sie wundert sich heute noch, dass die Rechnung bereits an dem Tag einging, als die Widerspruchsfrist gerade abgelaufen war. In der darauffolgenden Auseinandersetzung lockte die GWE mit einem günstigeren Vergleichsangebot, was die Unternehemrin allerdings ablehnte. Sie übergab die Sache nun ihrem Anwalt und investiert Zeit, Geld und Nerven, um gegen die GWE vorzugehen.

Getäuscht von der GWE fühlt sich auch Karl Zott vom gleichnamigen Ingenieurbüro aus Regensburg. Nach Eingang der Rechnung beschwerte er sich bei dem Düsseldorfer Unternehmen, das ihm daraufhin ein wesentlich günstigeres Gegenangebot machte, um ihn zu besänftigen. Ähnlich erging es einer Geschäftsfrau aus Stamsried, die sich nach ihrer Beschwerde schließlich auf „weniger“ eingelassen hatte.
Ein Handwerker aus dem Umkreis meines Wohnortes hatte den GWE-Brief so verstanden, dass er die Richtigkeit der Daten überprüfen solle. Nun liegt die Sache bei seinem Anwalt.

Ein Handwerker aus Furth im Wald wettert, als ich ihn frage, ob er wusste, dass das Formular der GWE bei Rücksendung einen kostenpflichtigen Eintrag im Internet nach sich zieht. Seine Worte mag ich hier nicht wiedergeben …

Aber es gibt auch Licht am Horizont. Zwei aus der Datenbank zufällig ausgewählte Handwerker aus dem Landkreis Cham berichten, dass Sie gerade noch rechtzeitig genau hingeschaut und den Widerruf fristgerecht per Einschreiben abgeschickt hatten. Ihr Geld bekamen sie von der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH erstattet. Gelöscht wurde ihr Eintrag bis heute nicht.
Eine Unternehmerin aus Lam erzählt, sie habe vor ca. zwei Wochen widerrufen und warte nun auf die Bestätigung. Trotzdem ist ihr Eintrag bereits in der Datenbank der GWE zu finden.

Der Koblenzer Rechtsanwalt Elmar Kloss, der sich u. a. mit „Gewerblichem Rechtsschutz“ beschäftigt, wurde auf der Internetseite http://www.verbraucherabzocke.info im Zusammenhang mit GWE-Schreiben zitiert. Er hatte eine Hintertür für Betroffene entdeckt, die Formulare der GWE älteren Datums (vor Mai 2010) erhalten hatten. Mittlerweile hat die GWE diese Lücke geschlossen.

Adressbuchschwindel ist kein Phänomen dieser Tage; er wird auch in Zukunft neue Blüten treiben. Anwalt Kloss bestätigt: Adressbuchschwindel sei nicht tot zu kriegen. Das läge auch daran, dass Gerichte in derartigen Fällen unterschiedlich urteilen.

Natürlich soll dieser Kommentar niemanden daran hindern, bei GWE einen Branchenbucheintrag zu buchen. Aber: In allen Lebensbereichen vergleichen und rechnen wir, warum nicht auch bei dieser Art von Angeboten?

Tipps der Redaktion

  • bei Ungewissheit oder Verdacht auf unlauteres Handeln die eigene IHK/Handwerkskammer informieren
  • Beschwerden an den DSW senden (Formular unter http://www.dsw-schutzverband.de)
  • Verhaltensregeln bei Adressbuchschwindel auf der Internetseite des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität: http://www.dsw-schutzverband.de einsehen
  • falls Sie gezahlt haben, den Widerruf wie in den AGB des jeweiligen Anbieters beschrieben und fristgerecht zustellen
  • den eigenen Eintrag auf der Internetseite des Anbieters auf dem PC sichern (Seite speichern oder Screenshot), dabei Zeugen hinzuziehen, kann für spätere Beweiszwecke nützlich sein
  • einen Rechtsbeistand mit der Angelegenheit beauftragen
  • kostenlose Branchenbucheinträge nutzen, wie sie z. B. die IHKs anbieten
  • relevante kostenpflichtige Angebote stets prüfen

Derzeit laufen gegen die GWE gerichtliche Verfahren, bestätigen mehrere Firmen gegenüber der Redaktion Hapke Media.
Betroffene können mit Kommentaren auf dieser Seite von ihren Erfahrungen berichten. So helfen sie auch anderen, die „Augen offen“ zu halten.TENDENCY Magazin für Reisen und Wohlergehen

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