Das Geschäft mit der Schönheit
Nur wer gut aussieht, ist auch erfolgreich, suggerieren Hochglanzfotos und Modelshows. Deshalb schmieren, klopfen, massieren wir Cremes, Ampullen, Lotions, was das Zeug hält – der Schönheitswahn lässt grüßen. Auch für den kleinen Geldbeutel darf es etwas mehr sein: Wer es sich leisten kann, wendet sich an den Kosmetiker/die Kosmetikerin seines Vertrauens.
Beauty als Traumberuf
Die Kosmetikerin/der Kosmetiker von heute ist mehr als nur ein „Schönmacher“. Neben der Gesichts- und Körperbehandlung beherrschen Fachkräfte vielfältige Schminktechniken, geben Pflegetipps, beraten in Ernährungsfragen, praktizieren unterschiedliche Massage-Techniken u. v. m. Auch Marketing, Gerätekunde und Verkauf stehen oftmals auf dem Stundenplan. Kosmetik-Fachkräfte finden wir heute nicht nur in Studios, sondern ebenso in Apotheken, Instituten, Hotels. Mit Fokus auf das ganzheitliche Wohlbefinden ihrer Kundinnen und Kunden nennen sie sich gerne Wellness-KosmetikerIn.
Der Begriff Wellness ist rechtlich nicht geschützt, seiner Werbewirkung tut dies keinen Abbruch. Oftmals sind Behandlungen durch eine Wellness-Fachkraft gegenüber „herkömmlichen“ KosmetikerInnen deutlich teurer.
Wellness beschreibt das körperliche sowie emotionale Wohlbefinden. Wellness-KosmetikerInnen wenden Produkte und Methoden zum Wohlfühlen und Entspannen an. Nicht immer entspricht die Praxis den Erwartungen der Kundschaft, wie der Deutsche Wellnessverband auf seiner Internetseite erahnen lässt.
Besonders junge Frauen interessieren sich für eine Tätigkeit als Kosmetikerin, und im Grunde darf jeder diesen Beruf ohne Ausbildung ausüben. Viele angehende KosmetikerInnen entscheiden sich für einen schnellen Bildungsweg.
Diese Maßnahmen dauern nur wenige Wochen oder Monate,
beklagt Monika Ferdinand, Vorsitzende des „Bundesverbandes deutscher Kosmetiker/innen“ (BDK). Das Ansehen der Branche leide.
Solide Träger schulen angehende KosmetikerInnen 1200 Stunden mit anschließendem Praktikum, das selbstverständlich bezahlt wird.
Seit etwa fünf Jahren wird die bundesweit geregelte 3-jährige Ausbildung in Industrie und Handel sowie im Handwerk angeboten und verfügt über Wahlqualifikationseinheiten.
Kosmetiker/in ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG),
informiert die Agentur für Arbeit. Im Rahmen einer landesrechtlich geregelten schulischen Ausbildung an Berufsfachschulen und Berufskollegs können Interessierte den Abschluss als Kosmetiker/in erwerben. Daneben existieren eine Reihe weiterer Ausbildungswege.
Mit Schwerpunkt auf suchende Arbeitgeber in Hotels bildet die Tourismusakademie Ostbayern mit angeschlossener Kosmetik-Schule aus. Bereits 137 Absolventen, davon 72 Teilnehmerinnen mit Bildungsgutschein, haben sich seit 2003 für diese Einrichtung entschieden und dort eine etwa elfmonatige Maßnahme (912 Unterrichts- und 656 Praktikumsstunden) durchlaufen. Die Schule stehe mit Hotels in ständigem Kontakt, um die Nachfrage nach KosmetikerInnen zu befriedigen, erklärt Katrin Löffler von der Kosmetik-Schule:
Viele Wellnesshotels suchen permanent gutes Fachpersonal.
Im Jahr 2011 gab es im Landkreis Cham 101 KosmetikerInnen. Dem gegenüber stehen einige wenige bei der Agentur für Arbeit gemeldete freie Stellen. Fragt man bei den suchenden Arbeitgebern nach, so sei es in der Regel kein Problem, eine Kosmetikerin zu finden. Allerdings haben gerade Hotels in der Region besondere Ansprüche. Der Arbeitsplatz Hotel verlangt von KosmetikerInnen Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und Aufgabenspektrum. Nicht jede Dame, jeder Herr ist bereit oder in der Lage, diesen Anforderungen gerecht zu werden, sagen Ausbilder wie Arbeitgeber.
Arbeitskräfte mit Wochenendausbildung werden nicht eingestellt, ergab eine Nachfrage im Landkreis Cham. Wünschenswert sei eine mindestens einjährige Ausbildung der potenziellen ArbeitnehmerInnen. Einige Arbeitgeber sprechen gar von einer Schieflage zwischen ihnen und ausbildenden Einrichtungen. Bewerber gebe es genügend, man müsse ausdünnen, um motivierte und gut qualifizierte ArbeitnehmerInnen einstellen zu können.
Im Berufsumfeld „Kosmetik“ herrscht Bewegung. Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz verzeichnete im Jahr 2011 einen leichten Zuwachs an KosmetikerInnen. Am 1.1.2011 übten 1820 KosmetikerInnen im Kammerbezirk ihren Beruf aus. Mit einem Zuwachs von 200 und einem Abgang von 195 KosmetikerInnen zum 31.12.2011 wird ein Auf und Ab belegt, über dessen Gründe nur spekuliert werden kann. Denn: Für handwerksähnliche Gewerbe werden keine detaillierten Statistiken geführt. Warum eigentlich nicht?
Einige Tatsachen lassen sich nicht so ohne Weiteres wegschminken:
- Bildungsgutscheine von der Agentur für Arbeit ermuntern zum Einstieg in ein neues Berufsleben mit Lidstrich, Massagen und Schminke. Damit sind Arbeitslose erstmal weg aus der Statistik – ein wirtschafts-politisches Make-up sozusagen, weiß der „Bundesverband deutscher Kosmetiker/innen“ aus jahrzehntelanger Erfahrung. Er fordert Qualität in der Ausbildung, derzeit werde sehr oft Quantität praktiziert.
- Vermittlungsgutscheine der Agentur für Arbeit, näher ausgeführt auf ihrer Internetseite.
Auszug:Die Vermittlungsgutscheine werden in Höhe von 1.500 Euro (nach einer Arbeitslosigkeit von bis zu 6 Monaten), 2.000 Euro (nach 6 bis 9 Monaten) oder 2.500 Euro (nach mehr als 9 Monaten) ausgestellt und sind dann 3 Monate gültig. Kommt auf Vermittlung eines privaten Vermittlers innerhalb dieser Zeit ein sozialversicherungs- pflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Inland mit einer Dauer von mindestens drei Monaten und einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden zustande (maßgebend ist der Tag, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen wird), erhält der Vermittler den Gutschein ausgezahlt, allerdings in 2 Raten …
Es ist also nicht auszuschließen, dass KosmetikerInnen nach einigen Monaten ihren Beruf wieder aufgeben und somit den Abgang statistisch beeinflussen. Unter den Vermittlern finden sich neben seriösen Personen immer wieder Geschäftemacher, die Vermittlungsgutscheine ohne Rücksicht auf Verluste einstreichen, beklagen Betroffene im Internet – ein Ärgernis nicht nur in der Beauty-Branche.
- Billige Arbeitskräfte durch kostenloses Praktikum, Arbeitsstelle auf <=400-Euro-Basis
- Die ganz und gar menschliche Seite: Die Erwartungen an den Beruf werden nicht erfüllt, familiäre oder gesundheitliche Gründe verhindern, weiterhin oder in vollem Umfang als KosmetikerIn tätig zu sein, die Liste ließe sich fortsetzen.
Fortbildung mit Steuergeldern
Die Agentur für Arbeit hält an ihrer Zielsetzung fest, Arbeitslose mit Defiziten fit für den Arbeitsmarkt zu machen, wenn der Kunde bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Herman Kaml von der Agentur für Arbeit in Schwandorf erklärt mit Blick auf den Arbeitsmarkt, dass der Bedarf an Fachkräften durch Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Kunden gedeckt werden soll.
Kunden der Arbeitsagentur können den Bildungsträger selbst wählen. Die Ausbildungsmaßnahmen sowie die Bildungsträger seien zertifiziert, so Kaml. Doch immer wieder greifen gewissenlose Möchtegern-Ausbilder Bildungschecks ab. Nutzer in Internetforen berichten von üblen Machenschaften. Wie kann das sein, wenn sowohl Bildungsträger als auch Maßnahmen zertifiziert sein müssen?
Antwort auf die Frage gibt die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS). Die gesetzliche Grundlage zur Zertifizierung bildet die Träger- und Maßnahmenzulassung nach AZWV. Im Klartext heißt das: Wirbt ein Bildungsträger mit einem AZWV-Zertifikat, ist er als Träger zertifiziert und darf Bildungsgutscheine annehmen. Bei den Fortbildungen wird entsprechend gesetzlicher Regelungen aus dem gesamten Katalog der vom Bildungsträger eingereichten Maßnahmen stichprobenartig geprüft. Es kann durchaus vorkommen, dass die Zertifizierungsstelle eine bestimmte Maßnahme gar nicht eingesehen hat, räumt die DQS ein. Sei ein Maßnahmeteilnehmer nicht zufrieden, könne er sich bei der DQS beschweren. Interessierte können sich an den BDK wenden, um zu erfahren, ob und welche Merkmale denn eigentlich zertifiziert sind. Monika Ferdinand kennt zudem gute Schulen ohne Zertifikat.
Die Frage scheint angesichts der geschilderten Praxis berechtigt: Werden Steuergelder in einigen Fällen dazu verwendet, Arbeitslosenzahlen auf Vordermann zu bringen? Herman Kaml versichert:
Wir wollen Menschen so schnell als möglich in den Arbeitsmarkt integrieren.
Fein! Und wovon leben sie? KosmetikerInnen sind auf Kundschaft angewiesen, die die angebotenen Leistungen bezahlen will und kann. Aber das ist eine andere Geschichte …
+++Anmerkung der Redaktion+++
Am 28. Februar 2012 ist eine von mir gekürzte Version des Artikels nach nochmaliger Bearbeitung durch die Zeitungs-Redaktion in der Chamer Zeitung auf Seite 13 erschienen. Der dort unten angehängte Beitrag mit der Überschrift „Gefragte Absolventen“ wurde nicht von mir geschrieben.
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